Südtirol
Online: In knapp drei Wochen beginnen Sie ihre Expedition
zum Annapurma. Wie fühlen Sie sich so kurz vor
Tourstart?
Christian Kuntner: Einerseits
ist es Routine, andererseits ein hohes Maß an
Respekt. Es ist der letzte Achttausender, den ich
noch nicht bezwingen konnte.
STOL: Woran
lag es?
Kuntner: In meinen bisherigen
drei Anläufen
1997, 2002 und 2003 verhinderte Schlechtwetter eine
erfolgreiche Besteigung. Auf einer Expedition spielt
neben dem Material und einer optimalen Vorbereitung
auch das nötige Glück eine zentrale Rolle.
STOL: Wie haben Sie sich auf
das schwierige Unterfangen „Annapurma“ vorbereitet?
Kuntner: Für diese Tour habe ich bis auf einige
Skitourenwanderungen keine spezielle Vorbereitung
gemacht. Viel wichtiger noch ist der Kopf am Berg.
Mental gilt es topfit zu sein, um auch wichtige Entscheidungen,
wie etwa zu einer überlebensnotwendigen Rückkehr
zu treffen. Nicht selten kommt es aufgrund der widrigen
Umstände (Kälte,Sturm etc.) zu nervlichen
Zusammenbrüchen während einer Extremtour.
STOL: Warum setzen Sie sich immer
wieder bewusst Gefahrensituationen aus. Sind Sie
süchtig nach
dem Gefühl am Berg?
Kuntner: Ich sehne mich nach
Herausforderung. Ob dies nun auf dem Berg, oder
mit dem Rad über
die Seidenstraße ist, macht für mich keinen
Unterschied.
STOL: Nicht selten passiert es,
dass Bergsteiger während einer Expedition umkommen. Haben Sie
schon einmal daran gedacht mit dem Klettern aufzuhören?
Kuntner: Ehrlich? Nein. Ich klettere
bereits seit meiner Kindheit; damit aufzuhören kommt für
mich derzeit nicht in Frage. Verlusterlebnisse unter
Kameraden gehören zum Bergsteigen dazu; Vergangene
Woche ist ein guter Freund von mir beim Wasserfallklettern
ums Leben gekommen. Andererseits kann der Tod jemanden
auch zum Beispiel bei einem Autounfall ereilen: dann
fragt auch keiner, warum er sich der Gefahr ausgesetzt
hat.
STOL:... ist das nicht etwas anderes, immerhin suchen
Sie das Risiko?
Kuntner: In gewisser Weise schon.
Ich denke an die Macht des Schicksals: wenn es
soweit sein soll, dann
schlägt der Tod eben zu.
STOL: Kennen Sie Angst am Berg?
Kuntner: Angst ist wie ein Sicherheitsanker
beim Bergsteigen. Sie bewahrt mich vor Dummheit
oder unüberlegten
Handlungen. Gefährlich wird es allerdings, wenn
die Angst überhand nimmt und in zuviel Vorsicht
umschlägt.
STOL: Wie geht Ihr Umfeld mit
dem gefährlichen
Sport um?
Kuntner: Meine Eltern wissen
von meiner Leidenschaft. Sie sind weder dafür, noch dagegen. Angst haben
sie keine, denke ich. Aber wir reden in der Familie
eigentlich nie darüber. Grundsätzlich bin
ich ein Einzelgänger. Ich hasse es in Anwesenheit
von vielen Menschen zu sein.
STOL: Ein Charakterzug, der Sie
selten in die Öffentlichkeit
gehen lässt und den Umgang mit Sponsoren erschweren
dürfte. Wie finanzieren Sie ihre Extremtouren?
Kuntner: Vorwiegend aus eigener
Tasche. Ich arbeite als freier Mitarbeiter bei
einem Planungs- und Vermessungsbüro
in Prad. In letzter zeit war ich da allerdings immer
seltener anzutreffen. Zu sehr war ich mit den Vorbereitungen
auf die Tour beschäftigt. Außerdem bin
ich ein extrem freiheitsstrebender Mensch, und fühle
mich in den Fängen der Bürokratie und des
Dorflebens unwohl.
STOL: Haben Sie schon einmal daran gedacht in ein
anderes Land abzuwandern?
Kuntner: Ich liebe es zu reisen,
und unterwegs zu sein. Der ursprüngliche Triebmotor für
meine Himalajaexpeditionen war neue Leute und Kulturen
kennen zu lernen. Erst nach und nach ist die Kletterei
in den Vordergrund getreten.
STOL: Viele Bergsteiger nehmen
sich von ihren Expeditionen Erinnerungsstücke mit nach hause. Welche Trophäen
stehen bei Ihnen im Schrank?
Kuntner: Von jeder meiner bislang
dreizehn Achttausenderexpeditionen habe ich einen
Stein des bezwungenen Berges in den
Rucksack gepackt. Das ist meine Art mich symbolisch
an meine Erfolge zurückzuerinnern.
Interview: Rainer Hilpold Freitag, 4. März
2005
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